Landwirtschaft und Photovoltaik: Flächenkonkurrenz oder Friedliche Koexistenz?
Die Weltgemeinschaft hat sich durch das Pariser Klimaabkommen im Jahr 2015 verpflichtet, die Erderwärmung im 21. Jahrhundert auf deutlich unter zwei Grad, nach Möglichkeit auf nicht mehr als 1,5 Grad, zu begrenzen.
In der EU (und ebenso in Deutschland) soll Klimaneutralität bis bis zum Jahr 2050 erreicht werden. Um das zu schaffen, müssen wir verstärkt auf die erneuerbaren Energien setzen – am besten jeder und überall.
Wir freuen uns also über jeden Privathaushalt, der eine PV-Anlage auf dem Dach hat. Das ist ein sehr sinnvoller Beitrag zum Klimaschutz. Wir möchten aber für diesen Beitrag mal in größeren Dimensionen denken. Zumindest so groß wie eine kleine Insel das erlaubt.

Wenn man in Bezug auf Amrum in großen Dimensionen denkt, dann fallen einem zunächst der Strand, der Nationalpark und die Dünen ein – allesamt beeindruckende Orte. Aber nicht unbedingt geeignete Plätze für PV-Anlagen.
Als nächstes aber fallen uns die Wiesen und Felder ein. Diese bieten sich schon eher für PV-Anlagen an. Nur werden sie größtenteils bereits landwirtschaftlich genutzt. Hier muss die regenerative Stromerzeugung also mit der Landwirtschaft um geeignete Fläche konkurrieren. Im Zweifel hat dann meistens die Lebensmittelproduktion Vorrang (und die Photovoltaik verliert).
Glücklicherweise schließt sich Photovoltaik und landwirtschaftlicher Ertrag nicht mehr aus. Mit der Novelle des EEG werden sogenannte Agri-PV-Anlagen förderfähig – förderfähig in dem Sinne, dass es jetzt möglich ist mit der bewirtschafteten Fläche sowohl landwirtschaftliche Erträge zu erzielen, als auch eine Einspeisevergütung für den erzeugten Strom zu erhalten.
Was ist eigentlich Agri-PV?
Agri PV ist die Kombination von PV-Freiflächenanlagen und der landwirtschaftlichen Nutzung einer Fläche. Es wird also eine ergänzende PV-Anlage auf der landwirtschaftlich bewirtschafteten Fläche gebaut. Hierbei gibt es verschiedene Modelle. Zwei sehr unterschiedliche Möglichkeiten sind einerseits ein Zaun aus Solarmodulen oder andererseits hoch aufgeständerte Solarmodule, die die Pflanzen teils überschatten. Hier ist wichtig zu beachten welche Kulturen angebaut werden und wie sich die klimatischen Bedingungen verändert haben / künftig noch verändern könnten. Ein aufgeständertes System kann zum Beispiel sinnvoll sein, wenn Dauerkulturen wie Obst oder Wein angebaut werden. Hier könnte man die PV-Module ganz wunderbar als zusätzlichen Schutz für die Kulturen nutzen und auf kostspielige Hagel- und Sonnenschutzvorrichtungen verzichten. Im Ackerbau muss darauf geachtet werden, dass die landwirtschaftlichen Maschinen das Feld weiterhin bearbeiten können und dass der Ertrag durch Verschattung nicht zu sehr gemindert wird. Aktuell finden Studien statt, in denen verschiedene Kulturen und deren Erträge im Zusammenhang mit entsprechend auf verschiedene Weisen optimierten PV-Anlagen getestet.
Viel ungenutztes Potenzial
In der kombinierten Nutzung von Flächen für Landwirtschaft und Energiegewinnung liegt viel Potenzial. Das Thema steckt aber noch in den Kinderschuhen und es bedarf hier mehr Zuwendung, um das Potenzial auszuschöpfen. Der deutsche Bauernverband und der Fraunhofer ISE ziehen an einem Strang, wobei der Fokus darauf liegt, dass die Photovoltaik sich der Landwirtschaft unterzuordnen hat, um eine bestmögliche Zusammenarbeit zu schaffen.
Sofern die Anlage und die Kulturen sich gut mit der PV-Anlage vertragen, steht einer „doppelten Ernte“ fast nichts mehr im Wege. Wie bei jeder Anlage, die draußen gebaut wird, muss der örtliche Bebauungsplan passen, eine Baugenehmigung eingeholt werden und es müssen Gutachten erstellt werden. Im Rahmen des EEG 2023 werden Agri-PV-Anlagen erstmals gefördert, indem der erzeugte Strom eingespeist und vergütet wird. Dabei erhalten hochgeständerte Anlagen einen Zuschlag von 1,2ct/kWh, begründet durch die aufwändigere und kostspieligere Montage.
Eine Sinnvolle Ergänzung?
Kommen wir zurück nach Amrum. Was für eine Art Landwirtschaft wird hier betrieben? In der Hauptsache findet auf Amrum Tierhaltung statt. Auf unseren Feldern weiden Milchkühe, Rinder, Pferde und Schafe und auch Hühner haben hier ein zu Hause. Gerade Schafe werden viel im Bereich der Landschaftspflege auf dem Deich oder in der Heide eingesetzt. Des Weiteren haben wir einen großen Anteil Futtermittelanbau. Als Exoten in unserer Landwirtschaft bewirtschaftet Familie Martinen noch einen halben Hektar Wein.
Ich glaube, dass Agri-PV dann eingesetzt werden sollte, wenn die Solarmodule der Landwirtschaft so weit entgegenkommen, dass der Ernteertrag nicht spürbar gemindert oder bestenfalls sogar gesteigert werden kann. Ob das auf Amrum erreicht werden kann, ist fraglich. Jedenfalls müsste das Photovoltaik-System auf die Bedürfnisse angepasst werden, da hier vor allem große Tiere gehalten werden, die die Module einer klassischen Freiflächenanlage überschatten können, oder Mais angebaut wird, der aufgrund seiner Bedürfnisse nicht unter einer überdachten Anlage wachsen möchte.
Die Kombination aus Standortfaktoren und Erntewerkzeugen müsste darauf geprüft werden, ob die Module nicht zu sehr durch Staub verschmutzt werden.
Da unsere Landwirte zukunftsorientiert handeln und immer wieder gezeigt haben, dass sie offen für Neues sind, habe ich keinen Zweifel daran, dass sie auch für dieses Experiment offen wären. Spannend für die Insel wäre eine Agri-PV-Anlage allemal und auch ein schönes Signal, dass Amrum bereit ist für eine grünere Zukunft.


Quellen
- Fraunhofer ISE: Agri-Photovoltaik
- Gemeinsames Positionspapier, Deutscher Bauernverband / Fraunhofer ISE (04/21)
- Wirth, Harry: "Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland" (12/22)
- Kreutzmann, Anne: Äpfel mit Sonnenbrand. Photon - Das Solarstrom Magazin Ausgabe 06/2021, S. 13-17
- Lichner, Cornelia: Mehr Akzeptanz durch Doppelnutzung? pv magazine - Photovoltaik, Märkte & Technologien. 85308, S. 77-79
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